Beschaffung
Die zentrale Aufgabe der Beschaffung bestand im Geschäftsjahr 2022 darin, entlang der fünf Dimensionen Kosten, Versorgung, Nachhaltigkeit, Qualität und Innovationen einen entscheidenden Beitrag für das Unternehmensergebnis zu leisten. Dabei standen vor allem die Herausforderungen zu den Themen Versorgung und Kosten im Fokus. Das Jahr 2022 war insbesondere davon geprägt, die Versorgung mit Teilen abzusichern. Durch gezielte Task-Force-Arbeit konnten drohende Fahrzeugverluste insbesondere aufgrund der Teileengpässe im Zusammenhang mit dem Russland-Ukraine-Konflikt minimiert werden. Im zweiten Halbjahr 2022 standen zudem die Preissteigerungen der Energiekosten, damit verbundene Lieferantenforderungen und die Sicherstellung der Energieversorgung in eigenen Werken und bei Lieferanten im Fokus.
Beschaffungsstrategie
Die Konzernstrategie NEW AUTO steht auch innerhalb der Beschaffung für mehr Geschwindigkeit, Fokus sowie Konsequenz und treibt den Wandel stärker voran. Im Jahr 2022 haben wir unsere Funktionalbereichsstrategie weiter vorangetrieben und weiterentwickelt. Neben den kurzfristigen Kostenzielen verfolgt unsere Strategie die Verbesserung unserer Versorgungssituation, die Steigerung der Produktqualität sowie die Stärkung von Innovationskraft und Nachhaltigkeit. Die Ziele leiten sich aus der Konzernstrategie NEW AUTO ab und treiben den Wandel von Volkswagen auch aus der Beschaffung heraus. Darüber hinaus schaffen wir optimierte strukturelle Voraussetzungen für unsere Mitarbeiter der Beschaffung und setzen mit der Digitalisierung unserer Prozesse sowie einer erhöhten Mitarbeiterorientierung weitere Schwerpunkte.
Elektromobilität
Als zentrale Aufgabe der Beschaffung gilt es in Bezug auf die Elektromobilitätsoffensive, die weiterhin wachsenden Bedarfe der nächsten fünf bis zehn Jahre nachhaltig abzusichern und dabei die Kostenstrukturen zu optimieren.
Im Zuge der Auftragsvergaben an unsere Partner in Sachen Elektromobilität stellen wir Anforderungen bezüglich des nachhaltigen Handelns von Lieferanten, transparenter und nachverfolgbarer Lieferströme sowie Energie- und CO2-optimierter Lieferketten. Weltweite Bedarfe aus den Märkten Europa, Amerika und Asien bündeln wir in Konzernvergaben mit dem Ziel der Kostenführerschaft bei Elektromobilitätslösungen. Dabei achten wir auf Diversifizierung in Verbindung mit Zweilieferantenstrategien sowie auf die Lokalisierung des Zuliefererportfolios für alle Kernkomponenten der Elektrofahrzeugflotte, um wirtschaftliche und geopolitische Risiken zu reduzieren.
Digitalisierung der Versorgung
Wir arbeiten konsequent daran, eine komplett digitalisierte Lieferkette umzusetzen. Sie soll uns dabei unterstützen, die Versorgung abzusichern und konzernweit Synergien zu heben. Dafür schaffen wir eine gemeinsame Datenbasis und nutzen innovative Technologien, die eine effiziente, vernetzte Zusammenarbeit in Echtzeit ermöglichen – im Konzern wie auch mit unseren Partnern. Im Bereich Beschaffung sollen Transaktionen mit unseren Lieferanten zukünftig standardisiert und wo möglich automatisiert werden, um nicht nur Transaktionskosten zu reduzieren, sondern auch Geschäftsprozesse zu beschleunigen. Hierbei ist auch die Einbindung von Catena-X, dem Datennetzwerk der Automobilindustrie, ein wichtiger Baustein. Mögliche Versorgungsrisiken sollen frühzeitiger identifiziert und entsprechende Maßnahmen und Alternativen gemeinsam schneller abgeleitet werden können. Die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie der Beschaffung wird konsequent verfolgt, um gezielt die Schwächen der IT-Systemlandschaft innerhalb der Beschaffung zu beheben und auch die Effektivität, Effizienz und Zukunftsfähigkeit der Organisation zu steigern. Die ersten Systeme beziehungsweise Module wie beispielsweise ein cloudbasiertes Modul zur Automatisierung von Beschaffungsaktivitäten in der Fahrzeugprojektphase und ein anerkanntes Online-Verhandlungs-Tool wurden bereits implementiert und in die bestehende Systemlandschaft integriert.
Struktur der wichtigsten Einkaufsmärkte
Die Beschaffung ist global organisiert und in den wichtigen Märkten weltweit präsent. Dadurch können wir sowohl Produktionsmaterial und Sachinvestitionen als auch Dienstleistungen weltweit in der geforderten Qualität und zu bestmöglichen Konditionen einkaufen. Aufgrund der Vernetzung der Beschaffungsorganisationen der Marken sind wir in der Lage, konzernweit Synergien auf den verschiedenen Einkaufsmärkten zu heben.
Der Volkswagen Konzern betreibt, zusätzlich zu den Beschaffungseinheiten der Marken, sieben Regionalbüros. In Wachstumsmärkten ermitteln und qualifizieren wir lokale Lieferanten, um Kostenvorteile für alle Produktionsstandorte im Konzern zu realisieren. Dabei rücken auch Start-ups und Softwarelieferanten in den Fokus.
Supply Chain Management der Beschaffung
Innerhalb des Supply Chain Managements der Beschaffung fokussieren wir uns darauf, die Versorgung in Anlaufphasen und im Seriengeschäft abzusichern. Dies umfasst die Begleitung der Industrialisierung bei unseren Lieferanten, die Serienüberwachung sowie das Management von Versorgungskrisen, wie zum Beispiel Energie- und Rohstoffengpässe im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie sowie mit dem Russland-Ukraine-Konflikt.
Bereits in der frühen Phase neuer Projekte führen wir Audits durch, um die Versorgung durch unsere Lieferanten abzusichern. Des Weiteren erfolgt eine Begleitung der Kaufteile entlang der einzelnen Projektmeilensteine bis zum Produktionsstart. Dabei fordern insbesondere komplexe Bauteile immer wieder eine Vor-Ort-Begleitung durch unser Lieferantenmanagement. Abschließend erfolgt eine Abnahme der Produktionskapazitäten, um den Serienanlauf der Fahrzeuge in unseren Werken zeitgerecht zu ermöglichen.
Darüber hinaus erfolgen regelmäßige Überprüfungen im laufenden Serienbetrieb, beispielsweise bezüglich eines fortlaufenden Bedarfs- und Kapazitätsabgleichs oder möglicher Kapazitätsanpassungen bei den Lieferanten. Hierdurch wird auch die Kapazität der Lieferanten bei der Verwendung von bestehenden Bauteilen in Neuprojekten abgesichert.
Komplexen Herausforderungen entlang der Lieferkette können wir durch unsere etablierte Krisenmanagementstruktur und das weltweite Lieferantennetzwerk entgegenwirken und damit auf eine Vielzahl von Standorten und Technologien zurückgreifen. Insbesondere bei der Bewältigung der Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konflikts und dem damit verbundenen Aufbau von Absicherungsstandorten hat diese Struktur einen entscheidenden Beitrag geleistet. Durch die bereichsübergreifende Arbeit zwischen Beschaffung, Qualitätssicherung, Entwicklung, Produktion und Logistik konnten die kurzfristigen Verluste reduziert und die Absicherungsstandorte erfolgreich industrialisiert werden.
Die verfolgten Maßnahmen infolge des Russland-Ukraine-Konflikts zeigen, dass das weltweite Lieferantenmanagement wirksam arbeitet. Dennoch führte die angespannte Versorgungssituation, insbesondere bei Halbleitern, zu einer eingeschränkten Fahrzeugverfügbarkeit für die Kunden.
Nachhaltigkeit in den Lieferantenbeziehungen
Grundlage erfolgreicher Geschäftsbeziehungen mit unseren Geschäftspartnern bilden die Achtung der Menschenrechte sowie die Einhaltung von Arbeits- und Gesundheitsschutzstandards, ein aktiver Umweltschutz und die Korruptionsbekämpfung. Diese Nachhaltigkeitsstandards sind in den vertraglich verbindlichen „Anforderungen des Volkswagen Konzerns zur Nachhaltigkeit in den Beziehungen zu Geschäftspartnern (Code of Conduct für Geschäftspartner)“ definiert. Gleichzeitig ist dort die Erwartung formuliert, dass sich die Geschäftspartner für die Einhaltung der Anforderungen in ihrer Lieferkette einsetzen. Das Einhalten der Anforderungen wird von uns mithilfe eines Nachhaltigkeitsratings bei relevanten Lieferanten überprüft und ist seit 2019 ausdrücklich vergaberelevant. Die Relevanz eines Geschäftspartners für dieses Rating ergibt sich unter anderem durch die Unternehmensgröße oder die Risikoexposition, die aus der Art der Dienstleistung abgeleitet wird.
In unserem Nachhaltigkeitsrating ermitteln wir die Nachhaltigkeitsperformance der Lieferanten mithilfe von Selbstauskünften und risikobasiert mit Vor-Ort-Überprüfungen. Im Berichtsjahr lagen uns 12.660 Ratings für Lieferanten vor, deren Auftragsvolumen einem Anteil von 75 % am Gesamtvolumen entspricht. Sowohl die Validierung des Fragebogens als auch die Durchführung der Vor-Ort-Überprüfungen erfolgt durch ausgewählte Dienstleister. Erfüllt ein Lieferant unsere Anforderungen zur Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards nicht, wird in der Regel kein Auftrag vergeben. Die Verknüpfung von Vergabeentscheidungen an Nachhaltigkeitskriterien ist einer der stärksten Hebel, um diese durchzusetzen. Auf bestehende Nachhaltigkeitsrisiken und -verstöße, auch in der vorgelagerten Lieferkette, reagieren wir mit der systematischen Definition und Umsetzung von Maßnahmen, um die erkannten Verstöße abzustellen. Zudem haben wir die Fort- und Weiterbildung von Lieferanten auch in diesem Berichtsjahr fortgesetzt. Im Geschäftsjahr 2022 haben über 2.900 Lieferanten unsere Qualifizierungsangebote wie digitale Lieferantenschulungen oder E-Learnings wahrgenommen.
Im Bereich Dekarbonisierung verfolgt der Volkswagen Konzern das Ziel, kontinuierlich über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs Treibhausgasemissionen zu reduzieren oder zu vermeiden. Der Wandel des Konzerns zum Anbieter nachhaltiger Mobilitätslösungen, insbesondere der Trend hin zur Elektromobilität, verschiebt den Handlungsbedarf von der Nutzungsphase in die Lieferkette und Herstellung von Fahrzeugteilen und Fahrzeugen. Wir sind uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und bekennen uns zum Pariser Klimaschutzabkommen. So haben wir die Nutzung unter anderem von regenerativer Energie bei Zellherstellern im Lastenheft vertraglich verankert.
Im Rahmen unseres nachhaltigen Lieferantenmanagements engagieren wir uns auch für den Schutz derjenigen Gruppen, die entlang unserer Lieferkette einem hohen Risiko potenzieller Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sein können. Um den internationalen Rahmenwerken und Anforderungen sowie insbesondere dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu entsprechen, haben wir 2022 ein Human-Rights-Focus-System implementiert. Das System hat zum Ziel, besonders hohe Risiken in unserer Lieferkette im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen sowie Umwelt zu erkennen und angemessen zu adressieren. Zur Bearbeitung der teilweise umfangreichen Risiken in den Rohstofflieferketten setzten wir unser Raw-Material-Due-Diligence-Management-System weiter um. Dieses konkretisiert die Priorisierung und Bearbeitung der von uns als besonders risikoreich eingestuften Rohstofflieferketten. Für die Gestaltung des verantwortungsvollen Rohstoffbezugs sind Transparenzanforderungen für unsere Batterielieferanten eine wesentliche Grundlage. Im Zuge dieser vertraglichen Anforderung verlangen wir zum Beispiel die Offenlegung der gesamten vorgelagerten Lieferkette von unseren Batterielieferanten für Neuvergaben.
Weiterführende Informationen zum Thema Menschenrechte finden Sie im Nachhaltigkeitsbericht 2022 im Kapitel Lieferkette und Menschenrechte.