Konzern­lagebericht

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Ganzheitliches Integritäts- und Compliance-Managementsystem

Integrität und Compliance genießen im Volkswagen Konzern hohe Priorität. Wir sind überzeugt: Für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg ist es wichtig, dass sich jeder Einzelne an Gesetze, Regelungen und Selbstverpflichtungen hält. Ein solches Verhalten muss selbstverständlich für alle Mitarbeiter des Konzerns sein. Deshalb bleiben Integrität und Compliance wesentliche Elemente unserer Konzernstrategie NEW AUTO und ein Fokusthema in Sachen Nachhaltigkeit.

Wir wollen Vorbild sein und das Vertrauen der Mitarbeiter, Kunden, Anteilseigner und Partner in uns stärken. Unsere Regelwerke, Prozesse und unsere Unternehmenskultur richten wir darauf aus, dass alle Mitarbeiter jederzeit integer und regelkonform handeln.

Gleichzeitig haben wir Integrität in unseren Entscheidungsprozessen verankert. In jeder Beschlussvorlage für den Vorstand muss zum Beispiel dargelegt werden, dass die angestrebte Entscheidung im Einklang mit Integrität und Compliance steht, welche Risiken damit einhergehen und wie die Risiken verringert werden können. Ähnliche Vorgaben gelten für Konzernmarken und -gesellschaften sowie Konzerngremien, an die der Vorstand Entscheidungsbefugnisse delegiert hat.

Integrität und Compliance sollen als Steuerungsgröße strategisch wie operativ eine genauso wichtige Rolle in unserem Unternehmen spielen wie Umsatz, Ergebnis, Produktqualität oder Arbeitgeberattraktivität. Seit 2018 bauen wir ein ganzheitliches Integritäts- und Compliance-Managementsystem (ICMS) auf. Es folgt den fünf international anerkannten ECI-Prinzipien (Ethics and Compliance Initiative): Strategie, Risikomanagement, Integritäts- und Diskussionskultur sowie Verantwortungsübernahme.

Um Integrität und Compliance konzernweit zu verankern, setzen wir unser Programm Together4Integrity (T4I) ein. Es bündelt nahezu alle Integritäts- und Compliance-Aktivitäten des Unternehmens unter einem Dach, mit konsistenten Prozess- und Implementierungsstandards.

Wir etablieren somit nicht nur ein weltweites ICMS für alle Konzern- und Markengesellschaften. Wir treiben auch eines der umfangreichsten Veränderungs- und Kulturprogramme in der Geschichte des Volkswagen Konzerns voran.

TOGETHER4INTEGRITY

Together4integrity (Grafik)

T4I: elf Schlüsselinitiativen

Der Rollout von T4I ist weitgehend vollzogen, der Abschluss der Implementierung ist für 2025 geplant. Programmgestaltung wie auch Rollout von T4I werden über den Konzern gesteuert. Für die Umsetzung sind die jeweiligen Geschäftsführungen vor Ort verantwortlich. Je nach lokalen Gegebenheiten können sich die Maßnahmenpakete unterscheiden. Auch die Implementierungszeit variiert.

Die Maßnahmenpakete gliedern sich in elf Schlüsselinitiativen:

1. HR (Human Ressources) Compliance-Richtlinien und -Verfahren

Im Kern geht es um das Einbinden von Integrität und Compliance in die Standard-HR-Prozesse. Dazu gehören Einstellung, Qualifizierung, Beförderung und Entlohnung (Bonifizierung). Integrität und Compliance sind außerdem als obligatorisches Thema im jährlichen Mitarbeitergespräch verankert sowie Bestandteil von Trainingsmaßnahmen für Mitarbeiter aller Hierarchiestufen.

2. Verhaltensgrundsätze (Code of Conduct)

Der Code of Conduct (CoC) dient als zentrales Instrument, um das Bewusstsein für verantwortungsvolles Handeln und Entscheiden innerhalb der Belegschaft zu stärken. Er bildet die Grundlage für regelkonformes Verhalten im Unternehmen. Der CoC gibt Hilfestellung, vermittelt im Zweifel geeignete Ansprechpartner und gilt verpflichtend für alle Beschäftigten des Konzerns. Wir verpflichten uns und unsere Mitarbeiter zu regelmäßigen Schulungen der wesentlichen CoC-Inhalte.

3. Integritätsprogramm

Das Integritätsprogramm soll die Integritätskultur stärken. Ziel ist, den Mitarbeitern die Bedeutung von Integrität zu vermitteln und sie bei entsprechendem Verhalten im Arbeitsalltag zu unterstützen. Wir verstehen Integrität dabei als Haltung: Sie vermittelt einen inneren Kompass für richtiges Handeln und wird besonders in Grauzonen entscheidend, wenn explizite Regeln fehlen oder Zielkonflikte bestehen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt darauf, integre Entscheidungen zu treffen. Entsprechende Trainingsmodule unterstützen alle Führungsebenen, vom Meister bis zum Manager.

4. Risikomanagement und interne Kontrollprozesse

Verbindliche Strukturen und Prozesse sollen helfen, Transparenz zu schaffen und Risiken zu steuern. Dazu gehören der auf akute Risiken fokussierte Risikoquartalsprozess, das Interne Kontrollsystem Standard-IKS, das wesentliche Prozesse absichern soll, und die Ursachenanalyse.

5. Interne Compliance-Risikobewertung

Das Internal Compliance Risk Assessment (ICRA) identifiziert und adressiert die Compliance-Risiken im Konzern. Dazu gehören unter anderem Korruption, Geldwäsche oder Veruntreuung. Im Berichtsjahr wurde der ICRA-Prozess im Hinblick auf die Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes angepasst. Auf Basis der über das ICRA ermittelten Risikoprofile werden für jede Gesellschaft Compliance-Maßnahmen abgeleitet und definiert.

6. Hinweisgebersystem

Das Hinweisgebersystem dient als zentrale Anlaufstelle, um Regelverstöße von Konzernmitarbeitern sowie direkten und indirekten Lieferanten zu melden. Dazu gehören Wirtschafts-, Korruptions- und Steuerstraftaten, Umweltstraftaten, Verstöße gegen Menschenrechte, Verstöße gegen kartell- und wettbewerbsrechtliche Vorschriften, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Verstöße gegen Produktsicherheits- und Zulassungsvorschriften und erhebliche Verstöße gegen den Datenschutz. Beschäftigte und Dritte können zu jeder Zeit und in vielen Sprachen Hinweise auf Fehlverhalten abgeben. Dafür stehen verschiedene, auf Wunsch vollständig anonyme Meldewege zur Verfügung. Ziel ist, mit verbindlichen Grundsätzen und klar geregelten Verfahren Schaden vom Unternehmen und der Belegschaft abzuwenden.

MELDEKANÄLE DES HINWEISGEBERSYSTEMS

Meldekanäle des Hinweisgebersystems (Grafik)

7. M&A- und NCS-Compliance

Bei geplanten Zusammenschlüssen und Zukäufen, sogenannten Mergers & Acquisitions (M&A)-Transaktionen, werden die entsprechenden Unternehmen auf wirtschaftsrechtliche Risiken wie Korruption, Untreue oder Betrug sowie auf menschenrechtliche Risiken untersucht. Die Analysen liefern Empfehlungen, um identifizierte Risiken zu senken. Dies gilt auch für Joint Ventures sowie Industrialisierungs- und Kooperationsprojekte mit Drittpartnern. Darüber hinaus wirkt die Group Compliance-Organisation auf ein angemessenes Compliance-Management bei Non-Controlled-Shareholdings (NCS) hin, also Unternehmen, die nicht durch ein Unternehmen des Volkswagen Konzerns als Mehrheitseigentümer kontrolliert werden.

8. Geschäftspartnerprüfung

Der Business-Partner-Due-Diligence-Prozess prüft Geschäftspartner und Lieferanten auf Integrität, insbesondere Korruptionsrisiken und die Einhaltung ethischer Standards. Ziel ist, diese Risiken früh zu erkennen, entsprechende Geschäftspartner zu meiden sowie Maßnahmen zur Risikominimierung festzulegen und mit dem Geschäftspartner umzusetzen. Ist dies nicht möglich, wird eine Beendigung der Geschäftsbeziehung geprüft oder diese gar nicht erst aufgenommen.

9. Produkt-Compliance

Das Product-Compliance-Managementsystem (PCMS) soll sicherstellen, dass unsere Produkte über ihre Lebensdauer die gesetzlichen und behördlichen Vorschriften des Aus- und Einfuhrlandes, interne wie externe Standards, vertraglich vereinbarte Kundenanforderungen und extern kommunizierte Selbstverpflichtungen erfüllen.

10. Umwelt-Compliance

Die gesetzlichen Umweltvorschriften und freiwilligen Selbstverpflichtungen sind bindend für alle Standorte und Geschäftsfelder. Die Umweltpolitik des Konzerns und das Umwelt-Compliance-Managementsystem legen die entsprechenden Anforderungen und Verantwortlichkeiten fest. Sie gelten für alle Strategie-, Planungs- und Entscheidungsprozesse in den Konzernmarken und -gesellschaften. Dazu gehört ein Kennzahlensystem, das den Fortschritt beim Erreichen der Umweltziele in den Bereichen erneuerbare Energien, CO2-Ausstoß und Ressourceneffizienz ermittelt.

11. Korruptionsbekämpfung

Der Volkswagen Konzern vertritt eine Null-Toleranz-Politik bei aktiver und passiver Korruption. Dies ist sowohl in unseren internen Verhaltensgrundsätzen als auch im Code of Conduct für Geschäftspartner verankert. Gemeldete Verstöße gegen unsere Grundsätze werden durch unsere Aufklärungs-Offices verfolgt und aufbereitet und die betreffenden Mitarbeiter sanktioniert. Zur Korruptionsbekämpfung gehören auch die Entwicklung und Implementierung von verpflichtenden Trainings für Mitarbeiter in Bereichen oder Gesellschaften mit hoher Risiko-Exposition.

T4I zielt damit nicht nur darauf ab, die konzernweit einheitliche Corporate Governance im Bereich Integrität und Compliance zu stärken. Das Programm soll auch die Integritätskultur weiterentwickeln. Dazu gehört die Standhaftigkeit, an integren Grundsätzen festzuhalten – unabhängig von ökonomischem oder sozialem Druck. So leisten T4I und das ICMS einen wichtigen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit im Volkswagen Konzern.

Erfolg nachhaltig messen

Integraler Bestandteil des Compliance-Managementsystems sind Methoden zur Wirksamkeitskontrolle und Fortschrittsmessung. Das zentrale Planungs- und Reporting-System von T4I bietet permanente Transparenz zum Umsetzungsstand der Schlüsselinitiativen. Es dient der internen Berichterstattung gegenüber Konzern- und Markenvorstand, macht den Projektfortschritt sichtbar und kann bei der Einleitung von Gegenmaßnahmen im Fall von Projektverzögerungen helfen.

Darüber hinaus liefert das jährliche Stimmungsbarometer Auskunft über den Stand der Entwicklung unserer Integritätskultur. Die konzernweite Mitarbeiterbefragung untersucht unter anderem die Möglichkeit jedes Einzelnen, sich integer zu verhalten. Wird dabei ein festgelegter Schwellenwert unterschritten, muss die jeweilige Führungskraft mögliche Hemmnisse mit ihrem Team identifizieren und ausräumen.

Als Messgröße für den Stand der Zielerreichung in Bezug auf Integrität und Recht haben wir für die großen Pkw-produzierenden Marken eine Kennzahl definiert: Regeleinhaltung, Fehlerkultur und integres Verhalten. Sie basiert auf der Auswertung der Antworten auf drei Fragen aus dem Stimmungsbarometer, die die Einhaltung von Regelungen und Prozessen, den Umgang mit Risiken und Fehlern sowie die Möglichkeit integren Verhaltens zum Inhalt haben. Im Fall von Negativabweichungen entwickeln die betroffenen Fachabteilungen Maßnahmen und setzen diese um.

Compliance: Klare Regeln im Konzern

Regelkonformes Verhalten muss eine Selbstverständlichkeit für alle Mitarbeiter des Volkswagen Konzerns sein. Dabei unterstützt die Group-Compliance-Organisation weltweit mit Programmen, Richtlinien, Prozessen und praxisorientierter Beratung. Sie hilft den Konzern- und Markengesellschaften, ihre Geschäftsaktivitäten regelkonform durchzuführen und die entsprechenden Gesetze und internen Vorgaben einzuhalten. Schwerpunkte der Compliance-Arbeit sind Anti-Korruption, Verhinderung von Untreue und Geldwäscheprävention.

Als zentrale Beratungsstelle für Compliance-Fragen hat sich im Volkswagen Konzern der „Infopoint Compliance“ etabliert. Das Team gibt entweder direkt eine Empfehlung zum Sachverhalt ab oder leitet die Anfrage an eine zuständige Stelle weiter. Fallbeispiele aus dieser Beratung fließen regelmäßig in die Compliance-Kommunikation ein. Auch in der Volkswagen 360°-App können Beschäftigte direkt die Compliance-Beratungsstelle kontaktieren. Vor allem Mitarbeiter ohne eigenen IT-Arbeitsplatz profitieren von dieser Möglichkeit.

Darüber hinaus bietet die Group-Compliance-Organisation zielgruppenspezifische Trainings- und Kommunikationsformate an. Dazu gehören Managementgespräche oder Schulungen für Multiplikatoren. Compliance-Inhalte sind überdies fester Bestandteil aller Karriere-Entwicklungswege vom Einstiegsprogramm für Trainees, über Programme zur Führungskräfte- und Managemententwicklung bis hin zum Senior-Management-Programm. Ergänzt werden die Maßnahmen durch Informations- und Kommunikationsaktivitäten wie Sensibilisierungskampagnen, Film- und Dialogformate, Newsletter oder interaktive Spiele zum Lernen über Gesetze und Regeln.

Das Aktionspaket der Group-Compliance-Organisation widmet sich wichtigen Zukunftsfeldern. Darin enthalten sind unter anderem Projekte zur konzernübergreifenden Zusammenarbeit in den Märkten, die Weiterentwicklung IT-basierter Compliance-Tools oder Austauschformate mit internen und externen Compliance-Experten.

Weiterführende Informationen zu den Themen Integrität und Compliance sowie „Wirtschaft und Menschenrechte“ finden Sie im Konzernnachhaltigkeitsbericht 2022.